Als Teil des 30. Chaos Communication Congress präsentierten am 29.12.2013 Studierende und Lehrende des Instituts für Journalistik und Kommunikationsforschung Hannover (IJK) eine Strategie für die Cultural Commons Collecting Society (C3S). Diese will ab 2015 ihren Betrieb als Verwertungsgesellschaft neben der GEMA aufnehmen. Entwickelt wurde die Strategie unter Leitung von Prof. Dr. Carsten Winter (IJK), Joachim Haupt (Universität der Künste) sowie Lorenz Grünewald (Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft Berlin) von den Studierenden des Seminars ‚C3S – Beitragen zur Zukunft der europäischen Medienkultur’ in Zusammenarbeit mit der C3S..

Kernaspekt der Strategie ist die Entwicklung der C3S als eine europäische Agentur für eine Kultur von allen für alle. Dabei wurde erläutert, dass die C3S so nur dann entwickelt werden kann, wenn man nicht nur ihre Beziehung zu klassischen Stakeholdern einer Verwertungsgesellschaft wie ihren Lizenzgebern und Lizenznehmern versteht, sondern, dass vor allem die Beziehung zu Fans der C3S berücksichtigt werden muss. Diese Fans, so zeigte sich beim Crowdfunding der C3S, sind nicht primär an der C3S in ihrer Funktion als Verwertungsgesellschaft interessiert, sondern vielmehr an der Teilhabe an Kulturprozessen, bei denen sie als aktiv Teilnehmende eine Rolle im Wandel von Kultur und Gesellschaft spielen wollen und können. Dies können sie in solchem Umfang erstmals bei der C3S tun die, geprägt durch die Kultur der Free Software Bewegung und als europäische Genossenschaft, neue Möglichkeiten der Teilhabe ermöglicht. Da die Anschlussfähigkeit der C3S und ihrer Fans im Bezug auf Teilhabe jedoch noch besser verstanden und entwickelt werden muss, wurden am IJK erste Projekte für die wichtigsten zu entwickelnden Geschäftsfelder der C3S konzipiert.

Den Einstieg in die Präsentation findet Carsten Winter mit einem Zitat aus Machiavellis „Der Fürst“. Er rekonstruiert die Situation der C3S, die mit ihrer Vision einer freien, partizipativen Kultur als Neuordner dem Widerstand bestehender Akteure und Institutionen wie der GEMA und dem Urheberrecht in seiner jetzigen Form ausgesetzt ist. In dieser Position muss sie sich für ihre zukünftigen Mitstreiter zunächst erst entwickeln, so dass diese sie “mit den Händen greifen können”. Im Rahmen des strategischen Verständnisses von Hamel und Prahalad, in dem Organisationen in einem ‘Wettlauf um die Zukunft’ stehen, erläutert er, wie sich mit der Entwicklung digitaler Netzwerkmedien, wie bspw. YouTube, unsere Kultur von einer Push-Kultur, in der einige wenige Verantwortung für die Produktion von Kultur übernehmen, zu einer Pull-Kultur wandelt. In einer solchen sind viele gewöhnliche Menschen an der Gestaltung ihrer Kultur beteiligt sind. In Zukunft, so Winter, können wir davon ausgehen, das unsere Kultur nicht entweder Push oder Pull ist, sondern, dass sie von allen ‘gemacht’ werden wird. Anhand eines Modells, das eine solch vernetzte Pull-Kultur beschreibt und das in einem IJK Forschungsprojekt zur Erforschung der Berliner Musikwirtschaft entwickelt wurde, zeigt er, wie sich Künstler mit ihren Fans vernetzen, um gemeinsam zu einer kulturellen Wertschöpfung beizutragen, wo also erste Prozesse einer ‚Kultur von allen’ schon beobachtbar sind. Für diese Zukunft müsse die C3S eine intellektuelle Führungsrolle aufbauen, um sich dann als eine Agentur für Kulturwandel mit der Transformation zu einer Kultur von allen befassen zu können.

Als erstes der bearbeiteten strategischen Geschäftsfelder wurde eine Finanzstrategie skizziert. Herausgearbeitet wurde, das die C3S als Verwertungsgesellschaft notwendigerweise mit Geld zu tun hat: Mit Einnahmen und Ausgaben aus Lizenzgeschäften. Als Agentur für Kultur, deren Mission es ist, die Teilhabe am Wandel zu einer fairen Medienkultur zu ermöglichen, bezieht sich die Finanzstrategie jedoch auf den gesellschaftlichen Aspekt einer Verwertungsgesellschaft. So soll eine tragfähige, finanziell-solidarische und vor allem demokratische Finanzinfrastruktur aufgebaut werden, die nicht um des Geldes willen Finanzströme organisiert. Vielmehr geht es um die geschaffenen Möglichkeiten für ihre Mitglieder zum Wandel europäischer Medienkultur beitragen zu können. Kern dieser durchaus betriebswirtschaftlich argumentierten Strategie sind die Organisation mittels „Balanced Score Card“, die alle organisationalen Aktivitäten als auf die Mission fokussierte Ziele und Maßnahmen bezieht, sowie eine transparente, solidarische und demokratische Festlegung des Sockelbetrags. Dieser Sockelbetrag, der im Zentrum des Geschäftsmodells der C3S liegt, soll jährlich in einem demokratischen Verfahren neu festgesetzt werden, um auf Basis der veränderlichen Kostenstrukturen das tragfähigste und die finanzschwächeren Mitglieder am wenigsten belastende Verhältnis zu ermöglichen. Zusätzlich will man vor allem die Fans und Mitglieder der C3S, die als Pioniere den Kulturwandel vorantreiben, in die Finanzinfrastruktur inkludieren. Crowdfunding und Merchandise-Verkauf, das Spenden von Song-Rechten und von Geld an die C3S sowie Künstlerpatenschaften, gewissermaßen freiwillige Soli-Beiträge, sollen zur Kapitalakkumulation herangezogen werden. Außerdem wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die C3S Möglichkeiten nutzen kann, bei Gericht verhängte Geldstrafen, die für gemeinnützige Zwecke gespendet werden, für sich zu erschließen.

An die Finanzinfrastruktur anschließend wurde ein Marketingansatz entwickelt, der die Marke der C3S auf Basis ihrer Mission und der Beziehungen zu ihren Fans – den Pionieren einer neuen Medienkultur – strukturiert. Dabei wurde die C3S durch ihr Angebot, ihren Nutzen sowie ihr Image als eine transparente, offene und flexible Agentur für freie Musikkultur beschrieben, die vor allem Schnittstellen entwickeln muss, mit denen sie sich weiter für Interaktionen der Fans mit der Organisation öffnet. Beispielhaft wurde dabei von den Studierenden ein Konzept für eine Website entwickelt, die sich nach Stakeholdern strukturiert. Hier werden jedoch nicht nur die für eine klassische Verwertungsgesellschaft originären Stakeholder beachtet, sondern es werden auch explizit Fans und Pioniere angesprochen, deren Teilhabe und Partizipation durch verschiedene Tools und Schnittstellen wie Liquid Feedback-Technologie und Wiki-Elemente gestärkt werden soll.

Ergänzend haben die Studierenden ein Konzept einer C3S-App entwickelt. Im Zentrum dieser App steht ein kreisrunder Button, mit dem im Raum laufende Musik gescannt (im Volksmund „shazamt“, abgeleitet von „Shazam“, einem verbreiteten Musikerkennungsdienst) werden kann. Für den erkannten Titel stellt die App dann einen umfangreichen Katalog an Metadaten und Referenzen bereit: Bspw. Lizenzinformationen (Autor, Lizenz, Nutzungsrechte etc.), aber auch ‚kulturelle’ Referenzen wie Songtexte, zugehörige YouTube Channels und sogar vergleichbare Künstlerempfehlungen, mit denen Musikliebhaber ihr Repertoire erweitern können. Für Musiker sowie Fans und Pioniere der C3S wurden ebenso Funktionalitäten skizziert, die eine direkte Lizenzierung eines Creative Commons Titels ermöglichen sollen. Darauf aufbauen könnten, so die Studierenden, vielfältige Funktionen zum Verteilen und Herunterladen von Samplematerial, zur Überweisung von Spenden und auch zum Ticketing angeschlossen werden, um die kulturellen Möglichkeiten ihrer Anwender zu erweitern. Auch an den physischen Raum wurde gedacht: In Zukunft könnte die App auf „Creative Commons“-Kneipen (denn solche gibt es!) oder aber Events der C3S und ihrer Ortsgruppen aufmerksam machen.

Um eines der Kernprobleme einer jeden sich in der Start-Up-Phase befindenden Organisation drehte sich das bisher am detailliertesten entwickelte Projekt: Eine C3S Roadshow. Mit dieser soll Aufmerksamkeit für die C3S erzeugt, Wissen über die C3S produziert und vermittelt sowie Mitglieder, Partner und Lizenzen gewonnen werden. Entwickelt wurde ein Veranstaltungskonzept, bei dem in einer Tour durch Berlin, Dresden, Mannheim Düsseldorf und Hannover Stakeholder wie Lizenznehmer und -Geber, Partner der C3S, ihre Fans und Pioniere und natürlich die Initiatoren der C3S zusammen gebracht werden, um in gemeinsamen Workshops, Informationsveranstaltungen und Konzerten Austausch, Vernetzung und Wissensakkumulation zu ermöglichen. Nicht nur Informationen über die C3S sollen dabei verteilt werden. Vielmehr sollen durch Workshops mit allen Teilnehmern Problemfelder, Bedarf und Lösungsansätze bezüglich der institutionellen Rahmenbedingungen von Kultur und insbesondere dem Lizenzgeschäft gesammelt und bearbeitet werden, um so auch Themenfelder für die C3S und ihre Aktivitäten zu erschließen. Durch ein Konzert als abschließendes Rahmenprogramm soll der Fokus von der Organisation zurück auf die Musik, ihre Freiheit und die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Stakeholder gerichtet werden.

Als letztes Projekt stellten die Studierenden des IJK einen Konvent vor. Dabei geht es den Studierenden darum, Tools für die Strategiefindung und -Legitimierung einer Organisation zu entwickeln, die – wie die C3S es beweist – deutlich anders funktioniert als Organisationen, die klassischerweise in der Betriebswirtschaft und Strategielehre behandelt werden. Für diese müssen adäquate Lösungsansätze für Offenheit, Vernetzung und Teilhabe in der Strategieentwicklung und -durchsetzung erst noch entwickelt werden. Somit sollen in einer offenen Strategieplanung auf der nun so genannten Cultural Commons Convention Ansätze für eine gemeinsame Organisationkultur und die zukünftige Handlungsfähigkeit gestaltet werden. Um die Integration und Zusammenarbeit von Gesellschaftern, Pionieren und dem Kernteam der C3S zu sichern und zu fördern, sollen essentielle strategische Themenfelder wie die Ausarbeitung eines Leitbildes, zu Finanzen und Controlling etc. in einer Anzahl von Workshops bearbeitet werden und als Grundlage für die weitere Arbeit an der Organisationsentwicklung dienen.

Zum Abschluss leiteten Carsten Winter und Lorenz Grünewald dann eine Diskussion mit der C3S und den anwesenden Pionieren. Hier wurden viele der entwickelten Konzepte und Projekte positiv aufgenommen sowie durch weitere Ideen und Vorschläge seitens des C3S-Kernteams ergänzt. Schließlich wurde sich vor allem darauf geeinigt, dass der nächste Schritt nun die Realisation der zahlreichen Ideen und Projekte sei.

Die Folien der Präsentation stehen als Slideshare zur Verfügung.

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Caring for Free Culture: Präsentation eines Strategieansatzes für die C3S auf dem Chaos Communication Congress

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