Wir, Lorenz Grünewald und Carsten Winter haben in Wien die inspirierende 5. ICTs and Society Conference 2015 besucht – Dank an Christian Fuchs und sein Team für die Organisation! – und dort „Perspektiven für ein komplexeres Verständnis von Gebrauchswerten‘ erörtert. Das Thema der Konferenz ‚The Internet and Social Media at a Crossroads: Capitalism or Commonism? Perspectives for Critical Political Economy and Critical Theory‘ war der Kontext, in dem wir Veränderungen der Bedingungen sowie Voraussetzungen des Zugangs zu und des Umgangs mit digitalen Netzwerkmediendiskutiert haben; vor allem in der Folge ihrer kommerziellen Entwicklung als Medien und als Produktionsmitteln am Beispiel von Entwicklungen in Musikkultur und Musikwirtschaft.

Am Beispiel von YouTube haben wir zuerst gezeigt, wie gewöhnliche Akteur_innen, die erst aus ihren Kinder- oder Wohnzimmern heraus mit dem Netzwerkmedium YouTube als ihrem Produktionsmittel Musik und Musikvideos produziert haben, zu Musik-YouTuber_innen, zu Artepreneure_innen geworden sind, und wie diese eine vernetzte Musikwirtschaft geschaffen haben, in der Kapitalien wie Likes usf. eine größere Rolle als Geld gespielt haben (zum Begriff Artepreneur siehe hier). Sie haben mit YouTube als Produktionsmittel neue soziale, kulturelle und ästhetische Freiheiten erkundet und für sich und andere neue Werte geschaffen, die aktuell durchweg erheblich unter Kommodifizierungs- bzw. Kommerzialisierungsdruck durch Unternehmen geraten. Diese Perspektive lässt erst seit wenigen Jahren einnehmen, da ihnen zunächst mit YouTube und vergleichbaren Netzwerkmedien Produktionsmittel für gewöhnliche Leute bisher weitestgehend voraussetzungslos zur Verfügung standen.

Diese privat-unternehmerisch getriebene Kommodifizierung und Kommerzialisierung veranschaulichten wir am Beispiel von Multi Channel Networks und von Aktivitäten von YouTuber_innen. Sie ist aus der Sicht börsennotierter Unternehmen wie Google und auch von kommerziell interessierten Akteur_innen verständlich und nachvollziehbar. Unternehmen wie Google, die YouTube finanzieren, müssen Geld verdienen, da Ihre Shareholder das erwarten. Offenbar müssen sie dazu Freiheiten, die sie uns und auch Musiker_innen (wie wir an Beispielen gezeigt haben) wieder einzuschränken. Diese nachvollziehbaren Monetarisierungsbestrebungen schränken bisherige Freiheiten für Independent Musiker_innen, die es ihnen ermöglicht haben, mit YouTube Musik für alle zu produzieren, zu verteilen, zu promoten und von allen nutzen zu lassen auf nicht unerhebliche und vor allem zunehmende Weise immer mehr ein (vgl. hierzu etwa http://zoekeating.tumblr.com/post/109312851929/clarity).

Vor dem Hintergrund dieser für Unternehmen notwendigen Kommodifizierung bzw. Kommerzialisierung fragten wir dann, was wir jenseits der Kritik dieser Entwicklung um der Freiheit unser aller Musikkultur willen tun können, um uns doch offenkundig mögliche Freiheiten zu erhalten – egal, ob das Freiheiten sind, die Musiker_innen als Artepreneure_innen oder Musiknutzer_innen als Culturepreneure_innen gekostet haben. Wir haben dann nach dieser Kritik erklärt, warum wir Unternehmen nicht als Garanten und schon überhaupt nicht als alleinige Garanten dieser Freiheiten sehen, die sie offenbar wieder einschränken müssen. Wir sehen neuere Entwicklungen in Musiknetzwerken und Städten zur Schaffung von Gemeingütern für Musikwirtschaft und Musikkultur eher als Garanten für die Institutionalisierung dieser Freiheiten und haben abschließend einige aktuell neue Bedingungen und Voraussetzungen für die Entwicklung neuer digitaler Netzwerkmedien und von Institutionen erörtern, die für diese These sprechen. Neue soziale Netzwerke und Städte waren in der Geschichte bisher immer maßgeblich für die Institutionalisierung neuer Medien wie auch neuer Freiheiten. Die Diskussion über die Möglichkeiten neuer Netzwerke und von Städten und ihr Engagement in Musikwirtschaft und Musikkultur bei der Erschaffung neuer Gemeingüter wird von uns weiter vorangetrieben. Sie baut auf von uns mit Blick auf die weltweit zunehmende Zahl von Artepreneure_innen und Culturepreneure_innen auf, die unsere „Push-Kultur für alle“ in eine Kultur der Anerkennung von „Kultur von allen für alle“ mit neuen Institutionen transformieren, die diese Kultur um unser aller Kultur und Freiheit willen wahrscheinlicher machen.

Weitere Texte und Folien gibt es hier:

Texte zum Culturepreneur englisch/deutsch

Text zum Artrepreneur englisch

 

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Marx, Weber, die Musikwirtschaft und YouTube

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